Gebäudeenergiegesetz wird sächsische Wohnungsgenossenschaften vor kaum tragbare wirtschaftliche Heraus­forderungen stellen – VSWG appelliert hinsichtlich Konsequenzen an soziale Verantwortung der Regierung und fordert realitätsnahe Förderung

Der am Freitag zur Abstimmung im Bundestag vorliegende Gesetzentwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) wird die sozial orientierten sächsischen Wohnungsgenossenschaften vor kaum tragbare wirtschaftliche Herausforderungen stellen. 

„Die toxische Mischung eines nicht stemmbaren gesetzlich verordneten Investitionsvolumens, verbunden mit mietrechtlich immer weiter begrenzten Umlagemöglichkeiten sowie der zeitliche Druck sind Gegebenheiten, die eine sozial verträgliche Refinanzierung unmöglich machen. Wenn das Gebäudeenergiegesetz in dieser Fassung kommen sollte, dann kann dies nur funktionieren, wenn es sowohl sozial als auch wirtschaftlich verträglich ist“, appelliert Mirjam Philipp, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG). „Das ist der vorliegende Entwurf trotz Reparaturversuche aber immer noch längst nicht“.

Sächsische Ausgangslage der Gebäudestruktur

Bei der inhaltlichen Bewertung des GEG aus Sicht der sächsischen Wohnungsgenossenschaften fällt auf, dass die vom Bund zur Argumentation herangezogenen Gebäudedaten stark von der sächsischen Realität abweichen. Die Gebäudestruktur in Sachsen befindet sich energetisch in einem deutlich besseren Zustand. Ursächlich hierfür ist vor allem die hohe Sanierungstätigkeit in den 1990er und 2000er Jahren nach der Wiedervereinigung. Allein bei den sächsischen Wohnungsgenossenschaften wurden rund 97 Prozent aller Wohngebäude teilweise oder vollständig saniert. Das zeigt sich u. a. daran, dass ein Gros des sächsischen Gebäudebestands in den Energieeffizienzklassen A bis D wiederzufinden ist. Lediglich 3,5 Prozent entfallen auf die Energieeffizienzklassen E und 0,5 Prozent auf F und G. Die Energieeffizienzklasse H ist in den genossenschaftlichen Gebäudebeständen nicht vertreten.

Energetische Sanierung geht nur unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit

Die sächsischen Wohnungsgenossenschaften verfügen über eine durchschnittliche Kaltmiete von 5,31 EUR/m² Wohnfläche (Kaltmiete). Hinzu kommen Vorauszahlungen für Wärmeversorgung und Warmwasser i. H. v. 1,43 EUR/m² sowie Nebenkosten von 1,37 EUR/m². Für eine durchschnittliche Wohnung mit 60 m² betragen die Wohnkosten somit 486,60 EUR pro Monat. Aus der Kaltmiete muss die Wohnungswirtschaft die Bestände verwalten, die Instandhaltung der Bestände gewährleisten, den Kapitaldienst tilgen, neue Investitionen anstoßen und davon auch die Investitionen in die Klimaneutralität bis 2045 bezahlen.

„Aufgrund der grundsätzlich begrenzten wirtschaftlichen Kapazitäten der sächsischen Wohnungsgenossenschaften sind Fördermittel unumgänglich, um Klimaschutzmaßnahmen finanzieren zu können. Ziel muss es sein, eine Gesamtfinanzierungsstruktur zu schaffen, die dazu führt, dass die Wirtschaftlichkeit der Wohnungsunternehmen erhalten bleibt (d. h. auskömmliche Modernisierungsumlagen und Fördermittel) und dass die Mitglieder/Mieter nicht überfordert werden (Kaltmiete und Heizkosten). In diesem Zusammenhang haben wir mit Bedauern festgestellt, dass die bereits im Entwurf bei Weitem nicht auskömmlichen Fördermittel im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) im Zuge der GEG-Novelle für die Wohnungswirtschaft noch weiter eingedampft werden sollen“, so der VSWG-Vorstand.

Der GdW Bundesverband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft gibt den Standardfall für den Heizungstausch mit 250 EUR/m² in der Investition an.

„Wir gehen von tendenziell deutlich höheren Gesamtkosten aus. Diese resultieren daraus, dass das gesamte Heizungssystem von hohen Vorlauftemperaturen und vergleichsweise kleinen Wandheizkörpern auf Flächenheizsysteme mit niedrigen Vorlauftemperaturen umgestellt werden muss. Dazu ist i. d. R. der Leerzug der Wohnung erforderlich. Neben dem organisatorischen Aufwand entstehen Zusatzkosten im Zusammenhang mit dem Umzugsmanagement, Zwischennutzung anderer Wohnungen und die Wiederherstellung des Zustands der Wohnung (Boden, Türen, Wände, Sonderausstattungen Mieter usw.). Ferner erfolgt ein sehr tiefer Eingriff ins Gebäude, der dazu führt, dass vorhandene Bauteile ihren Bestandsschutz verlieren und begleitend ebenfalls modernisiert werden müssen (z. B. Elektrik). Somit steigen die Kosten – initiiert durch die Umstellung des Heizsystems – signifikant an“, erläutert Sven Winkler, Referent für Betriebswirtschaft des VSWG. Zudem bietet der tiefe Eingriff ins Gebäude eine sinnvolle Gelegenheit, auch weitere wohnwertverbessernde Maßnahmen anzugehen. Dies erfordert zwar höhere Investitionen, könnte aber letztlich die Motivation für energetische Maßnahmen bei Mitgliedern/Mietern und Vermietern erhöhen.

Aufgrund der notwendigen Begleitmaßnahmen geht der VSWG von Investitionskosten von rund 1.250 EUR/m² aus. Hochgerechnet auf den Gesamtbestand der sächsischen Wohnungsgenossenschaften ergibt sich somit ein Investitionsbedarf von rund 18 Mrd. EUR.

„Mit der in der Bundesrepublik festgelegten Zielerreichung der Klimaneutralität bis spätestens 2045 und somit verbleibenden 22 Jahren bedeutet dies jährlich eine Summe von 1,6 Mrd. EUR. Gegenüber der bisherigen Gesamtinvestition (inkl. Instandhaltung) der sächsischen Wohnungsgenossenschaften von 1,1 Mrd. EUR im Jahr 2022 würde dies einer Erhöhung des Bauvolumens um über 40 Prozent entsprechen. Dies ist angesichts der begrenzten Mietumlagemöglichkeiten sowie weiter stetig steigender Bau- und Finanzierungskosten nicht finanzierbar. Vor der Verabschiedung des GEG im Bundestag ist zwingend eine verlässliche und realitätsnahe Förderung für den geplanten Heizungsaustausch unumgänglich, sonst werden die sozial orientierten Wohnungsunternehmen de facto zu unsozialen Maßnahmen gezwungen und das Gesetz ist bereits vor Inkraftreten kläglich gescheitert“, fasst VSWG-Vorstand Mirjam Philipp zusammen.

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